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Die EU und die neue Umsatzsteuer-Regelung: Eine Frage der Gerechtigkeit

Ab dem 1.1.2015 gelten in der EU für elektronisch erbrachte (Dienst-)Leistungen neue Regeln bei der Umsatz-Besteuerung. Davon haben viele sicherlich schon gehört. Für alle anderen: Bisher wurde bei elektronisch erbrachten Dienstleistungen (z.B. Hosting) für die Umsatz-Besteuerung ("Mehrwertsteuer") das Land zugrunde gelegt, in dem das leistende Unternehmen sitzt. Ab kommendem Jahr gilt (für private Endkunden) das Land, in dem der Endkunde seinen gewöhnlichen Wohnort hat (Spitzfindigkeiten jetzt mal bewusst ausgeklammert).

Soweit hört sich das ja erstmal nicht schlimm an. Wenn man aber (als Unternehmer) drüber nachdenkt, stellt sich natürlich die Frage, ob der dadurch entstehende Aufwand beim Abrechnen von Kunden wirklich zuzumuten ist. Immerhin ist es nicht damit getan, einfach nur irgendwo einen Steuersatz pro Kunde zu hinterlegen, ggf. kann es nämlich sein, dass je nach Rechnungs-Position auch verschiedene Steuersätze anfallen, ergo dass eine Rechnung mehrere Steuersätze aufweist.

Abgesehen von dem Aufwand, der beim Unternehmer rein technisch und buchhalterisch entsteht, stellt sich noch eine Frage: Die der Gerechtigkeit.

Zahlten bisher beispielsweise ein Kunde aus Deutschland und einer aus Österreich jeweils 5,99 Euro (brutto, inkl. 19% deutscher MwSt.) pro Monat für ein Webhosting M-Paket, stellt sich nun die Frage, was gerechter ist:
1. Zahlen weiterhin beide brutto denselben Endbetrag?
2. Zahlt jeder künftig einen Brutto-Betrag, der sich aus dem vorherigen Netto-Grundpreis zzgl. der für ihn gültigen MwSt. ergibt

Für beide Varianten kann man sicherlich pro- und contra-Argumente finden kann. Für Nr. 1 führen sicherlich viele an, dass dies kundenfreundlich, "gerecht" etc. ist. So handhabt es auch einer unserer Marktbegleiter, der das als positive Eigen-Darstellung im Interesse des Kunden verwendet (was ich nicht mal als schlecht hinstellen möchte).

Ein klares Argument gegen Nr. 1 und somit für Nr. 2 ist, dass man im Falle von Nr. 1 jedem Kunden aus Österreich (im obigen Beispiel) einen Rabatt einräumen würde, nur damit derselbe Brutto-End-Preis erzielt wird. Folgerichtig könnte der deutsche Kunde für sich denselben "Rabatt" als "kundenfreundlich" einfordern, und dann sind wir bei einer nicht enden wollenden Spirale.

Wir haben uns daher für Nr. 2 entschieden, weil es aus unserer Sicht die gerechtere (ich schreibe bewusst keinen Superlativ) Lösung ist. Die MwSt. ist eher beim Endverbraucher zu sehen (schließlich ist es eine Endverbrauchs-Steuer) und sie entsteht eben durch ihn und das Land, in dem er wohnt. Für die unterschiedlich hohen Steuersätze sind wir nicht verantwortlich, wir reichen die Mehrwertsteuer ja nur weiter (in dem Fall ja auch an das Land des Endkunden).

Wie man es auch dreht: Keine der obigen Lösungen ist perfekt, und in beiden Varianten gilt es, die eigene Webseite rechtssicher auszugestalten, damit die richtigen Preise inkl. der jeweils gültigen Mehrwertsteuer aufgeführt werden. Da wir uns 100% sicher sein möchten, eine rechtssichere und zugleich für den Besucher komfortable Weise zu finden, haben wir uns entschlossen, derzeit nur Bestellungen von Kunden aus Deutschland anzunehmen. Besuchen kann die Webseite natürlich jeder, das Angebot ist aber eben beschränkt. Ich rechne damit, dass wir Mitte Januar wieder für alle geöffnet sind.

Danke liebe EU, dass Ihr Euch einen solchen Unsinn ausgedacht habt. Ich hoffe (und das meine ich nicht ironisch), dass die Einnahmen, die nun vermutlich eher kleineren EU-Ländern zugeführt werden, einen nennenswerten Vorteil für diese Länder bringen. Ansonsten wäre es unter'm Strich eine loose-loose-Situation.

Kommentare

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Korbinian

"Ich hoffe (und das meine ich nicht ironisch), dass die Einnahmen, die nun vermutlich eher kleineren EU-Ländern zugeführt werden, einen nennenswerten Vorteil für diese Länder bringen."
Ist es nicht eher genau andersherum? Momentan bekommen Steueroasen (und das sind i.d.R. kleine Länder wie Holland, Luxemburg oder Irland) Geld, wenn man als EU Bürger bei auf dem Papier dort ansässigen Händlern einkauft.
Also z.B. Luxemburg kriegt die Steuern auf den Einkauf eines jeden Europäers bei Amazon.
Hier bekommt jetzt zukünftig jedes Land direkt abhängig von dem Umsätzen der eigenen Bevölkerung seinen Anteil - und der sollte für Deutschland als großes Land jetzt wesentlich höher sein als zuvor. Insofern sehe ich da eher große Länder auf der Gewinnerseite dieser Regelung.

Dirk

Na ja,d ie EU halt. Was erwartet man von einer illegitimen Kontinentalregierung, die in einem Elfenbeinturm sitzt?

Andreas

Na dann verrate mal warum die EU unrechtmäßig ist, ich bin gespannt auf die Antwort.

Tetja Rediske

Die Idee/Der Gedanke dahinter ist ja nicht schlecht, wenn auch wieder ausgehöhlt, aber die Umsetzung lässt mal wieder stark zu wünschen übrig.

Marcel

Nun, Variante 2 kann nur die einzig richtige sein. Die Steuern sind halt dort abzuführen, wo der Kunde sitzt.

In den USA ist das schon immer so und dort hilft es u.a. auch, dass halt nur netto preise ausgezeichnet werden. Je nach Staat bezahlt man halt bei online Bestellungen unterschiedliche Steuern.

Andreas

Na dann verrate mal warum die EU unrechtmäßig ist, ich bin gespannt auf die Antwort.

Jens

Wie sieht das denn für Kunden aus der Schweiz aus, die gehören ja nicht zur EU?

PS: Der Spamschutz diskriminiert immer noch Tor-Unterstützer, indem er auch IPs von Non-Exit-Relays blockt.

Sam

Bei Schweizer Privat-Kunden bleibt so weit ich weis alles gleich. Wenn der Lieferant das mitmacht gilt:

Nach § 3a Abs.3 i.V.m. § 4 Nr. 12 UStG in Deutschland nicht steuerbar.

Das heisst Rechnungen können für uns rein Netto asugestellt werden. Auch wenn die Dienstleitung in Deutschland erbracht wird.

Viele Hoster stellen die Rechnung automatisch Netto aus, andere nur auf Anfrage wieder andere Stellen die Rechung Netto aus und unterschlagen die 19%.

Hans

Variante 2 halte ich auch für gerechter.

Die Kalkulation funktioniert doch so, dass Herr Schmitt sich hinsetzt, zusammenaddiert, welche Kosten er hat und was er als Gewinn braucht und dann bei einer Netto-Summe angelangt. Auf die kommt dann noch on top die Mehrwertsteuer, von der er nichts hat. Je nachdem, welcher Steuersatz dann für den Kunden gilt, kommt eben ein unterschiedlicher drauf.

Wenns den Österreichern nicht passt und sie das eine Prozent sparen wollen können sie als Unionsbürger ja Nutzen aus der Niederlassungsfreiheit ziehen und nach Deutschland umziehen. :)

Klaus

Bei Variante 2 ist aber das Mißbrauchs-Risiko deutlich größer. Wenn ich sparen will, gebe ich bei meiner Bestellung doch einfach eine Anschrift in einem "günstigen" Land an (z.B. Luxemburg mit 15% MwSt).
Es obliegt dann dem Anbieter, die Anschriften auch zu prüfen (unabhängig davon, ob/wie/warum das bisher evtl auch schon gemacht wird).

Bernhard

Die Steuer wird aber immer noch an das Land abgeführt, in dem das leistende Unternehmen sitzt?
D.h. wenn ein Kunde aus Luxemburg nur 15% Umsatzsteuer zahlen muss, dann gehen die aber an Deutschland bzw. die Bundesrepublik in Deutschland Treuhandfond-Gesellschaft mBh?

Andreas

nein, an das Land des Verbrauchers

Alex

Was ist dann mit der Preisangabenverordnung? Die verlangt doch für Endkunden die Angabe des Preises inkl. Mehrwertsteuer. Gibt es dann für jedes Land eine separate Seite?

Engywuck

zur Einordnung: dass ab 1.1.2015 das Empfängerland auch für Dienstleistungen an Endanwender (B2C) gilt ist meines Wissens seit wenigstens 2009 beschlossen [1], könnte also bekannt sein. Jedenfalls überrascht mich deshalb die Aussage, dass wegen des dafür nötigen Umbaus bis Mitte Januar nur nach Deutschland verkauft wird - was eher nach Überraschung klingt.

Gab es tatsächlich die Möglichkeit, dass es nicht kommen könnte oder war das genauso überraschend wie die IBAN-Einführung letztes Jahr für viele Firmen?

[1] http://www.hannover.ihk.de/fileadmin/data/Dokumente/Themen/Steuern/Merkblatt_Grenzueberschreitende_Dienstleistung.pdf Punkt 9.1, "Stand: 1. Januar 2010"

Manuel Schmitt (manitu)

Nein, aber es gibt zu einigen Punkten eben noch keine Rechtssprechung. Und entgegen der Meinung einiger Marktbegleiter ist die Situation durchaus gar nicht so klar, wie man es vielleicht aus dem Gesetzestext lesen kann.

Das merkt man z.B. dann, wenn man bei 2 verschiedenen Finanzbehörden Aussagen zum selben Thema einholt. Da gehen die Ansichten und Interpretationen durchaus auseinander.

petz

Gibt es zu diesem Thema eigentlich eine Entwicklung? Ich wollte jetzt (als Luxemburger mit 17% Mwst) hier ein Webhostingangebot bestellen, aber das ist im Moment immer noch nur für Deutsche möglich. Schade.

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